Moorgeschichte
Aus dem Buch: Die Kinder vom Sachsenhof

Wolfger wusste immer so schön gruselige Geschichten zu erzählen. Am besten gefielen den Jungen die von dem Knaben im Moor. Ihnen selbst war es allerdings strengstens verboten worden, das Moor auch nur zu betreten. Zu gefährlich sei es, sagten die Erwachsenen mit ernsten Gesichtern. So mancher sei aus dem Moor nie zurückgekehrt und sei in ihm versunken. Doch Wolfger kannte alle Wege, und bald würde er die Tiere wieder ins Moorland treiben. Dort, wo es die saftigsten Gräser und Kräuter gab. Aber vorher würden die Mutterschafe ihre Lämmer bekommen. Einige davon sollten geschlachtet werden. Solange würde Wolfger mit den Tieren noch in der Nähe der Höfe bleiben. Jedes Jahr wurde den Göttern ein besonders kräftiges Lamm geopfert, damit sie ihnen Glück brachten und die Erde und Tiere besonders fruchtbar werden ließen.                 


Die Autorin:
Spannende Moorgeschichten zu schreiben ist gar nicht mal so einfach! Vielleicht magst du mir dabei  helfen und schreibst mir eine!

An dieser Stelle präsentieren wir dir ein Gedicht von Annette von Droste-Hülshoff. Sie lebte vor mehr als 150 Jahren im Münsterland und gilt als die bedeutendste Dichterin dieser Zeit.




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Der Knabe im Moor

m11.jpg O, schaurig ist’s, übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Haiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,


Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,


Wenn aus der Spalte es zischt und singt –
O, schaurig ist’s, übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!


Fest hält die Fibel das zitternde Kind


Und rennt, als ob man es jage

m16.jpg Hohl über die Fläche sauset der Wind –
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstige Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht


Hinducket das Knäblein zage.


Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,


Durch Riesenhalme wie Speere;


Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
m15.jpg Das ist die gebannte Spinnlenor’,
Die den Haspel dreht im Geröhre!


Voran, voran, nur immer im Lauf,


Voran, als woll’ es ihn holen;
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen
Wie eine gespenstige Melodei;


Das ist der Geigenmann ungetreu,


Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!


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Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle


Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:


Ho, ho, meine arme Seele!

Der Knabe springt wie ein wundes Reh,
Wär’ nicht Schutzengel in seiner Näh’,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät


Ein Gräber im Moorgeschwehle.


Da mählich gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
m5.jpg Die Lampe flimmert so heimatlich,
Der Knabe steht an der Scheide.


Tief atmet er auf, zum Moor zurück


Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre war’s fürchterlich,
O, schaurig war’s in der Haide!  endemoor.jpg