Etwas Geschriebenes in
deutscher Sprache gibt es erst seit Mitte des 8. Jahrhunderts. Mit der
Entstehung der Klöster begannen Mönche lateinische Schriften ins Deutsche zu
übersetzen. Dass das Deutsche zu dieser Zeit aber noch ganz anders geschrieben
und gesprochen wurde, siehst du an folgenden Beispielen:
Dat niee Testament in de olde Sachsensproake
Den „Heliand“ is üm dat Joahr 830 schrewen wodden, um de Löe
in Westfaolen un Nedersachsen de Geschichte van den Heiland Jesus Christus
verständlick te maken. Dörum is et in de olde Sachsenspraoke schriäwwen. Ut dat
Oldsächsische wodde later dat Plattdütsch. Hiär is nen Stück ut dat Kapitel van
de Geburt Christi afdruckt. To`t biätere Verstaohn häb wi de Verse in
Hochdütsch daonäven stellt.
Hochdütsch
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Olde Sachsensproake
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Da hört ich, dass der Schickung Gebot
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Thar gifragn ic, that berhtun giscapu,
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Marien mahnte und die Macht Gottes,
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Mariun gimanodun endi maht godes,
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dass ihr ein Sohn da sollte beschert werden,
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that iru an sunu
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in Bethelehem geboren, der Geborenen stärkster,
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giboran an Bethleem barno strangost,
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aller Könige kräftigster. Da kam an der Menschen Licht
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allaro
cuningo raftigost: cuman the mâreo,
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der mächtige Held, wie schon manchen Tag
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manno
lioht, sô is managan dag
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davon der Bilder viele und der Zeichen geboten
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bilidi uuârun endi filu
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waren in dieser Welt. Da ward das alles wahr,
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giuuorden
an thesero uueroldi. Thô uuas it all giuuârod sô,
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was spähende Männer vordem gesprochen,
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sô it êr spâha man gisprocan habdun,
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wie er in Niedrigkeit hernieder auf Erden
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thurh
huilic ôdmôdi he thit erdrîki herod
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durch seine eigene Kraft zu kommen gedächte,
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thurh is
selbes craft sôkean uuelda,
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der Menschen Mundherr. Da ihn die Mutter nahm,
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managaro
mundboro. Thô ina thiu môdar nam,
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mit Gewand bewand ihn der Weiber schönste,
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biuuand ina
mid uuîbo scôniost,
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zierliche Zeugen, und mit den zweien Händen
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fagaron
fratahun, endi ina mid folmon tuuêm
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legte sie liebreich den lieben kleinen Mann,
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legda lioblîco luttilna man,
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das Kind, in eine Krippe, das doch Gottes Kraft besaß,
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that kind
an êna cribbiun, thoh he habdi craft godes,
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der Menschen mächtigster. Die Mutter saß davor,
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manno
drohtin. Thar sat thiu môdar beforan,
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die wachende Frau, und wartete selber
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uuîf uuacogeandi, uuar doda selbo,
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und hütete das heilige Kind.
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held that hêlaga barn.
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Die gotische Bibel von
Wulfila ist eine noch frühere Schrift. Gelebt hat Wulfila von 311 – 383. Seine Übersetzung der lateinischen Bibel ins
Gotische hat die Missionsbewegungen in allen germanischen Stämmen in Gang
gesetzt.
Das gotische Vaterunser bei Wulfila
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Atta unsar thu in himinam,
weihnai namô thein.
Qimai thiudinassus theins.
Waîrthai wilja theins,
swê in himina jah aîrthai.
Hlaif unserana thana
sinteinan
gif uns himma daga.
Jah afleêt uns thatei skulans
sijaima,
swawê jah weis aflêtam
thaim skulam unsaraim,
jah ni friggais uns
fraistubnjai,
ak lausei uns af thama
ufilin.
Untê theina ist
thiudangardi
jah mahts jah wulthus
in aiwins.
Amen
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Vater unser du in Himmeln
geweiht werde Name dein.
Komme Volkreich deins.
Werde Willen deiner
wie im Himmel auch auf
Erden.
Brot unseres das tägliche
gib uns diesen Tag.
Und erlass uns, dass
Schuldner wir seien, wie auch wir erlassen den Schuldnern unsern,
und nicht bringe uns in
Versuchung,
sondern löse uns von dem
Übel.
Denn dein ist Königreich
und Macht und Herrlichkeit
in Ewigkeiten.
Amen
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Das erste erhaltene Gebet in
deutscher Sprache ist von Otfried von Weißenburg. Es hält den bekannten
Stabreim der germanischen Heldengedichte, aber darüber hinaus benutzt er wie
die Lateiner erstmalig den Endreim. Damit schafft er für den deutschsprachigen
Raum eine verbindliche metrische Form. Vor allem vom Rittertum bei den
Minnesängern wird diese Form aufgegriffen und zur Vollendung gebracht.
Ein Ausschnitt des Wessobrunner Gebetes:
Cot almahtico,
himil enti erda gauuorhtos,
enti du mannum so manac
coot forgapi,
forgib mir in dino danada
rehta galaupa
enti cotan uuilleon,
uuistom
enti spahida enti craft,
tiuflun za uuidar stantanne
enti arc za piuuisanne
enti dinan uuilleon za
gauuurchanne.
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Allmächtiger Gott,
du hast Himmel und Erde
erschaffen
und den Menschen so manches
Gut verliehen:
Verleihe mir rechten
Glauben an deine Gnade
und guten Willen, Weisheit,
Klugheit und Kraft,
den Teufeln zu widerstehen
und das Böse zu meiden
und deinen Willen zu tun.
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